Inhalt
Wie macht der Kollege das bloß? Der freie Journalist Juan Romero kann nur noch staunen. Beim angesehenen Nachrichtenmagazin Chronik gilt der Reporter Lars Bogenius als Schreibgenie, seine Geschichten aus aller Welt sind immer etwas spektakulärer und "griffiger" als die der anderen. Aber sind sie auch wahr? Nach einigem Nachforschen stößt Romero, von der Chefetage zum "Zulieferer" für Bogenius degradiert, auf Ungereimtheiten. Rechte US-Milizen, die an der mexikanischen Grenze auf Flüchtende schießen? Ein Kind, mit dessen harmlosem Graffiti der Syrienkrieg begann? Immer wieder fehlen wichtige Details, vermeintliche Zeugen können sich an keine Begegnung mit Bogenius erinnern. Oder verrennt er sich gerade in etwas? Voller Selbstzweifel riskiert Romero mit dem schweren Gang zu seinen Vorgesetzten seine Karriere. Tatsächlich steht er, während Bogenius weiter Journalistenpreise in Empfang nimmt, bald selbst als Lügner da.
Umsetzung
Bully Herbigs Mediensatire beruht auf dem echten Fall des Spiegel-Journalisten Claas Relotius, dessen Enttarnung im Jahr 2018 einen Medienskandal auslöste. Seine gefeierten Reportagen, die der Film kaum verschlüsselt aufgreift, waren frei erfunden. Als grellbunte Inszenierung einer falschen Wirklichkeit bilden sie dennoch das Gerüst des Films. Während in sichtlich künstlicher Studiokulisse die spannendsten Geschichten aufscheinen, sitzt Bogenius in teuren Hotelbars und sinniert über den nächsten Coup. In aufwendigen Split- und Freeze-Frames tritt Romero gelegentlich selbst ins Bild und erklärt dem Publikum die Situation: Sämtliche Handelnde sind Gefangene einer Traumwelt, die die Realität längst abgelöst hat. Einer freiwilligen Selbsttäuschung unterliegen auch der stellvertretende Chefredakteur der Chronik sowie der Ressortleiter, die im Auflagenrausch sämtliche Bedenken in den Wind schlagen. Real ist hier nur das Leiden des Whistleblowers Romero, dessen Familienleben im Strudel der Ereignisse aus den Fugen gerät – sowie die gesamte, eigentlich unglaubliche Geschichte.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der "Fall Relotius" schürte seinerzeit das Misstrauen gegen die Medien, populistische Kräfte sahen ihre Meinung über die "Lügenpresse" bestätigt. Schon mit der Wahl des (ebenfalls realen) Helden Juan stellt Tausend Zeilen klar, dass eine unabhängige Meinungsbildung auf seriösen, faktenbasierten Journalismus angewiesen ist. In diesem Fall brachte er die Wahrheit ans Licht. Auch deshalb eignet sich der Film zur Diskussion von "fake news", Verschwörungstheorien und Whistleblowing im digitalen Zeitalter, etwa im Politikunterricht. Dort können die Schülerinnen und Schüler auch erläutern, inwieweit die satirische Überspitzung als komödiantisches Mittel erkennbar ist oder bestimmte Meinungen über "die Medien" bestätigt. In den künstlerischen Fächern kann die ästhetische Machart noch tiefer analysiert werden. Bedient der Film nicht dieselben Mechanismen wie der Anti-Held Bogenius, indem er eine reale Geschichte flott aufbereitet? Wo liegen überhaupt die Unterschiede zwischen Journalismus und Entertainment? Schließlich hätte sich aus dem Thema, mit nur wenigen Änderungen, auch ein spannender Zeitungsthriller machen lassen.