Inhalt
Die 17-jährige Französin Fanny kommt im Rahmen eines Austauschprogramms nach Leipzig; der Sprachaufenthalt soll auch eine Atempause sein, um familiären Spannungen und dem Mobbing in ihrer Schule zu entkommen. Ihre psychischen Probleme kann die sensible Teenagerin in der neuen Umgebung nicht hinter sich lassen, so sehr sie sich auch Zugehörigkeit zu ihrer Gastfamilie wünscht. Stattdessen wird sie mit deren internen Krisen von Trennung, inszenierter Selbstdarstellung und Einsamkeit konfrontiert. Doch nach einem zögerlichen Start entwickelt sich eine intensive Freundschaft zu ihrer deutschen Austauschschülerin Lena. Um der bewunderten neuen Freundin, die sich linkspolitisch engagiert, zu imponieren, erzählt Fanny von ihrer Suche nach der ebenfalls politisch aktiven Halbschwester. Als Lena zum Gegenbesuch nach Straßburg kommt, setzen beide engagiert die Suche fort. Und stellen dabei – in Konfrontation mit Lenas Familie – auch ihre Freundschaft und zarte Liebe auf die Probe.
Umsetzung
Die Lebensrealität von Jugendlichen in Familie, Schule, auf Partys und Demos wird realistisch erzählt. Dafür findet der Film sowohl inhaltlich als auch stilistisch gut nachvollziehbare Formen, mit denen sich die Gefühle des unsicheren Erwachsenwerdens abbilden und auf ein emotionales Thema fokussieren: Was ist wahr, was ist falsch in der Familie, in Freundschaft, im Klassenverband, in der Gesellschaft? Traumsequenzen stehen Found Footage von Demos oder sehr realen Szenen von Streit in der Familie unmittelbar gegenüber. Insbesondere die Farbdramaturgie (wiederholt hervorgehobene Blautöne), der umsichtige Einsatz von Musik über die teils überdeutliche Tonebene hinaus sowie harte Schnitte, deutliche Wechsel der Kameraführung von nah zu total und betonte Lichtstimmungen begleiten die beiden jungen Frauen in ihrem Erleben. Sie unterstützen die Haltung des Publikums von teils irritierter Beobachtung einerseits und emotionalem Sog zu starker Identifikation mit Situationen und Figuren andererseits. Dramatik und Heiterkeit wechseln sich ab und zielen letztlich auf Erkenntnis und Zusammengehörigkeit. Auch Themen wie Gewalt, psychische Gesundheit und Drogen spricht der Film unpathetisch an und sollten mit den Schüler*innen gut vorbereitet werden (Triggerwarnung).
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Die inhaltlichen Themen lassen sich sowohl im Detail untersuchen z. B. zur Figurenzeichnung, als auch ausweiten bis hin zu Fragen der persönlichen und kulturellen Identität. Oder sie können als aktuelle Erfahrungen von Jugendlichen diskutiert und mit ähnlichen Coming-of-Age-Filmen verglichen werden in teils analytischen, teils kreativen Übungen. Durch die beiden Handlungsorte stellt sich ebenso die Frage: Was ist anders, was ist ähnlich in zwei europäischen Nachbarländern, in unterschiedlichen Familienkonstellationen, in Freundschaften, in den Schulklassen, Lehrmethoden? Wie lassen sich Grenzen überwinden und Synergien herstellen? Was macht sowohl individuell und persönlich als auch gesellschaftspolitisch Partnerschaften und Freundschaften aus? Die o. g. filmischen Erzählstrategien lassen sich sehr gut ohne besonderes Fachwissen analysieren und zu eigener szenischer und/oder filmischer Arbeit kreativ nutzen. Unbedingt notwendig sind vorab Hinweise auf sensible Themen wie Mobbing, häusliche Gewalt, Suizid sowie Alkoholismus und psychoaktive Drogen!