Inhalt
Als die drei Freundinnen Yesmin, Nati und Bella vor der Kamera zum bekannten Lied „Losing My Religion“ von R.E.M. mit Hijab tanzen und posieren, ahnen sie noch nicht, wie viral ihr Video werden wird. Denn dieses verbreitet sich rasch auf Social Media sowie in ihrem Umfeld, weswegen sie auf Kritik und Lob zugleich stoßen. So ist Yesmins Vater regelrecht begeistert und verhilft dem Trio, mit dem Lied auf kurdischen Feiern aufzutreten. Als sie schließlich bei einer Talkshow eingeladen werden, spricht Nati ungefragt über muslimische Erfahrungen, obwohl weder sie selbst noch Bella Muslima sind. Langsam schleicht sich ein ungutes Gefühl bei Yesmin ein und sie fragt sich, warum sich ihre Freundinnen so wohl in dieser neuen Rolle fühlen. Gleichzeitig muss sie sich mancher Kritik alleine aussetzen und argumentiert selbstbewusst, dass ihr keiner zu sagen habe, wie sie ihr Kopftuch zu tragen habe oder sie sich benehmen soll. Nachdem Nati und Bella sich schließlich zunehmend von Yesmin distanzieren und sogar verschwinden, steht ihre Freundinnenschaft auf dem Spiel.
Umsetzung
Kurdwin Ayub bindet im knalligen, selbstbewussten Debütfilm gekonnt die Social-Media-Welten der „Gen Z“ in den Film ein, denn viele der Videoaufnahmen haben die Laienschauspieler*innen selbst gedreht. Mit schnellen Schnitten zwischen TikToks, Instagram-Stories und Videocalls wird in Yesmins digitale Lebenswelt geblickt, gleichzeitig werden mit weiteren Aufnahmen ruhige und beobachtende Momente ihres Familienlebens, Schulalltags und ihrer Freizeit gezeigt. Ohne Filmmusik erzählt SONNE die Geschichte besonders über den Ton. Sei es der laufende Fernseher oder ein Streit, den sie dumpf durch ihre Zimmertür hört: Die vorsichtige Geräuschkulisse spiegelt die Stimmung der Protagonistin wider, ohne dass sie diese verbal ausdrücken muss. Und nicht zuletzt zieht sich die Coverversion von „Losing My Religion“ durch den gesamten Film und gewinnt in den verschiedenen Situationen an neuer Bedeutung.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Ausgehend von Yesmins Perspektive lassen sich die Fragen, mit denen sie aufgrund des viralen Videos konfrontiert wird, vertiefen: Wie geht ein respektvoller Umgang mit der Familienidentität und welche Handlungen sind moralisch richtig? Denn mit dem Video stößt sie bei ihrer Mutter Awini auf Irritation: „Du machst dich lustig über unsere Kultur und unsere Religion“ argumentiert diese, während ihr Vater Omar die drei Freundinnen begeistert ermutigt, auf diversen Feiern aufzutreten. Wie sich Nati und Bella zwischen Faszination und kultureller Aneignung bewegen und Grenzen der Freundinnenschaft überschreiten, zeigt die Talkshow-Szene sowie der brenzlige Streit nach einem Gesangsauftritt: Wer spricht für und über wen? Gegen welche Zuschreibungen Yesmin sich mit einer klaren Haltung wehrt, kann in Bezug auf ihre Mehrfachidentität betrachtet werden. Die sich wiederholenden Social-Media-Szenen sowie die ruhigeren Kameraaufnahmen bieten sich für eine Analyse an: Inwiefern spiegelt sich die Handlung in der Filmästhetik wider? Sowohl darin als auch auf der Tonebene lässt sich zudem die sich verändernde Stimmung der Protagonistin ablesen.