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„Wenn wir einmal an die Macht kommen, dann müssen Sie meine Filme machen“, hatte Adolf Hitler ihr gesagt. Und so kam es: Vor allem mit dem Dokumentarfilm TRIUMPH DES WILLENS (1934) über den 6. Reichsparteitag der NSDAP und dem zweiteiligen OLYMPIA (1938) prägte Leni Riefenstahl die Selbstinszenierung des nationalsozialistischen Regimes. Vor ihrem Regiedebüt mit DAS BLAUE LICHT (1932) war sie vor allem in den Bergfilmen Arnold Fancks (DIE WEISSE HÖLLE VON PIZ PALÜ, 1929) zur prominenten Schauspielerin aufgestiegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wies sie jede Schuld von sich und sah sich als Opfer einer Medienkampagne – sie sei allein an schönen Bildern und der Kunst interessiert gewesen. Neue Nahrung erhielten die Vorwürfe gegen Riefenstahl, als Details über das Schicksal der von ihr in TIEFLAND (1944) als Statisten besetzten Sinti und Roma, vor allem Kinder, ans Licht kamen. Die Filmemacherin starb 2003 im Alter von 101 Jahren im bayerischen Pöcking.
Umsetzung
Unmittelbarer Anlass dieses neuen Dokumentarfilms ist das Auftauchen des 2016 freigegebenen Nachlasses der umstrittenen Regisseurin. Andres Veiel will nicht nur die „Macht der Bilder“ analysieren, sondern vor allem dieses Archiv sprechen lassen. Vom spärlichen Kommentar eher erläutert als beurteilt, entwickelt seine Montage aus Filmausschnitten, Fotos, Tagebucheinträgen und Talkshowauftritten eine spannende Erzählung. Wie sich herausstellt hat Riefenstahl, manisch besorgt über ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, nicht nur Dokumente ihres eigenen Schaffens, sondern auch Briefwechsel, Telefonanrufe und Zeitungsartikel akribisch archiviert. Nach einem Auftritt in der WDR-Talkshow „Je später der Abend“ 1976 erhielt sie säckeweise Fanpost. Nach und nach entwickelt sich das Bild: Leni Riefenstahl war nicht nur eine überzeugte Nationalsozialistin, die die Niederlage des Regimes als persönliche Katastrophe empfand. Vor allem nach dem Krieg war sie eine Identifikationsfigur bundesrepublikanischer Verdrängung, dem schönen Schein verpflichtet, gleichgültig gegenüber menschlichem Leid.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Mit seinerseits hohem ästhetischem Anspruch stellt der Dokumentarfilm die Frage nach der politischen Verantwortung von Kunst. Zwar legt er unmissverständlich dar, wie sehr Riefenstahls Feier makelloser Schönheit etwa in OLYMPIA auf dem Ausschluss des vermeintlich „Schwachen“ beruht. Dennoch lässt sich das Fortwirken ihres Körperideals nicht nur in Machtinszenierungen autoritärer Staaten, sondern auch in Sport oder Popmusik mühelos nachvollziehen. Für den Unterricht erweist sich Veiels Strategie, Riefenstahls Konstrukt aus Beschönigungen und Lügen durch kluge Gegenüberstellungen zu entlarven, als anspruchsvoll. Durch genaue Betrachtung der Montage können die Schülerinnen und Schüler analysieren, an welchen Stellen sie selbst solche Widersprüche erkannt haben oder wo, etwa durch die mangelnde Kennzeichnung von Quellen und Filmtiteln, Unklarheiten bleiben. Ein beeindruckendes Dokument ist der Film vor allem im Hinblick auf die Debattenkultur der Nachkriegszeit. Riefenstahls vehemente Verweigerung von Einsicht und Reue erscheint in Zeiten autoritärer Verlockungen und Desinformation erschreckend aktuell.