OmU: Die Originalsprache des Films ist Deutsch - aber Paolo ist Italiener ist und spricht kein Deutsch, seine Tochter Leo jedoch kein Italienisch, daher versuchen sie auf Englisch miteinander zu kommunizieren. Die englisch- bzw. italienischsprachigen Szenen sind daher alle deutsch untertitelt.
Inhalt
Die 15-jährige Leo ist in Deutschland ohne Vater aufgewachsen. Als sie von seiner Identität erfährt, macht sie sich sofort auf die Suche nach ihm. Sie findet Paolo in einer verrammelten Strandbar an der winterlichen Küste Norditaliens. Ihn überwältigt und überfordert das Wiedersehen. Nach Leos plötzlichem Auftauchen hat er Mühe, seine Balance zwischen ihr und seiner neuen Familie zu finden. Zunächst will Leo nur Antworten, doch schon bald sehnt sie sich nach einem Platz in Paolos Leben. Da sie weder Geld noch einen Plan hat, bleibt sie erst mal in dem kleinen Ort. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr Gemeinsamkeiten entdecken Leo und Paolo. Doch die Realität holt die beiden unweigerlich ein. Als Paolo sich wieder vermehrt seiner jüngeren Tochter zuwendet, reagiert Leo verletzt und wütend. Ein Streit bringt den Schmerz auf beiden Seiten ans Licht, ihre zarte Verbindung scheint zerstört. Mitten im Gefühlschaos beginnen Vater und Tochter, ihre jeweiligen Wahrheiten anzuerkennen, und machen einen kleinen, aber bedeutsamen Schritt in Richtung Akzeptanz. Poetisch und voller emotionaler Kraft erzählt der Film davon, wie schwierig und schön es sein kann, sich in einzelnen Momenten wirklich zu begegnen.
Umsetzung
Alissa Jung inszeniert ihr Regiedebüt mit zurückhaltender Intensität. In langen Einstellungen, halben Blicken und tastenden Gesten entfaltet sich das Beziehungsgeflecht zwischen Vater und Tochter. Statt erklärender Dialoge dominieren nonverbale Spannungen. Leo und Paolo sprechen nicht dieselbe Sprache, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Wenn sie auf Deutsch insistiert und er auf Italienisch ausweicht, zeigt sich Sprachlosigkeit, die tiefer reicht als jede Vokabel. Die Kamera von Carolina Steinbrecher folgt den Figuren präzise über verlassene Strände, durch ein marodes Strandcafé und entlang der nebligen Küste Norditaliens, wo Flamingos zu poetischen Spiegeln des Ungleichgewichts werden. Der Film verwebt Leos Perspektive mit Edoardos, der seine sexuelle Identität sucht; sein Vater reagiert aus Homophobie mit Misstrauen und Härte. Musik, von 90er-Rap bis zu Kae Tempests Lyrik, verstärkt das Spannungsfeld zwischen Nähe und Rückzug, Verletzlichkeit und Rückhalt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
PATERNAL LEAVE bietet vielfältige Impulse zur Auseinandersetzung mit familiären Bindungen, individueller Verantwortung und emotionaler Selbstbehauptung. Leos Suche nach ihrem Vater eröffnet Gespräche über Herkunft, Zugehörigkeit und das Recht auf Antworten. Die Figur Edoardo bringt Erfahrungen queerer Jugendlicher und familiärer Gewalt zur Sprache, ein sensibel gesetzter Kontrapunkt, der Fragen nach Akzeptanz und verletzlicher Männlichkeit aufwirft. Auch die Sprachlosigkeit zwischen Leo und Paolo, wörtlich wie emotional, lädt zur Reflexion über Kommunikation ein. Als ästhetischer Einstieg eignet sich die Analyse der Kameraarbeit: Wie fängt die Bildsprache Nähe, Distanz und innere Konflikte ein? Landschaften, Körperhaltungen, Blickachsen und Geräusche werden hier zu Trägern einer Emotion, die sich Worten oft entzieht und genau deshalb umso stärker wirkt.
