Inhalt
Sein Psychiater hält Edvard Munch nicht für verrückt. Genie und Wahnsinn lägen nun einmal dicht beieinander. Der junge Künstler hat kein Ohr dafür, er weiß nur, dass er leidet. Sein inneres Empfinden, das er malen möchte, ist seine einzige Realität. Die Melancholie erdrückt ihn, treibt ihn immer weiter in Depressionen und Alkohol. Dabei ist er privilegiert aufgewachsen – seine Familie versteht ihn zwar nicht, hat seine Strandurlaube zum Malen aber stets unterstützt. Hier lernt er auch seine erste Liebe Milly Thaulow kennen, die in mehreren seiner Gemälde auftauchen wird. Dass er sein Leben ganz der Kunst widmet, macht Beziehungen jedoch fast unmöglich. Munch geht nach Berlin und wird in der aufregenden Metropole zum Gegenstand eines Skandals: Seine aufsehenerregende Ausstellung wird vom „Berliner Kunstverein“ kurzerhand geschlossen. Seine Bilder seien „nicht fertig“, gelten dem konservativen Bürgertum als Provokation. Im von den Nazis besetzten Norwegen hat der greise Munch das gegenteilige Problem: Mit gierigen Händen greifen die deutschen Besatzer nach seinem Nachlass.
Umsetzung
Von konventionellen Biopics setzt sich MUNCH erfolgreich ab. Der ständige Wechsel zwischen den Zeitebenen kennzeichnet einen Künstler, der innerlich in Vergangenheit und Gegenwart zugleich lebte („Ich male nicht das, was ich sehe, sondern das, was ich sah“). Dennoch lassen sich verschiedene Werkphasen ausmachen, die mit den Lebensstationen in Verbindung stehen. Den stärksten Bruch mit Erwartungen markiert die Ansiedlung seiner „Berliner Phase“ im heutigen Berlin: Munch kommuniziert mit dem Smartphone, debattiert in Technoclubs über Kunst und seine innere Verzweiflung. Den schwedischen Dramatiker August Strindberg, ein lebenslanger Freund, spielt eine Schauspielerin mit angemaltem Schnurrbart. Mit den verschiedenen Hauptdarsteller*innen – auch den greisen Munch spielt kaum bemerkbar eine Frau – wechselt auch das Bildformat, von den satten Farben seiner frühen Landschaftsbegeisterung zum fast quadratischen Schwarzweiß seiner schweren Jahre in einer Kopenhagener Psychiatrie. Im eigentlichen Film nur sporadisch zu sehen, werden seine Bilder im Abspann noch einmal umfangreich gezeigt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Die Bedeutung Edvard Munchs (1863-1944) ist heute unumstritten. Eine Pastellversion seines Bilds „Der Schrei“, ein wegweisendes Werk des Expressionismus, wurde 2012 für knapp 120 Millionen US-Dollar versteigert. Sein von inneren Zweifeln geplagter Lebensweg bietet eine gute Einführung in die damals revolutionäre Kunstrichtung. In einem Punkt klaffen Fiktion und Wirklichkeit allerdings auseinander: Munch selbst empfand die Berliner Aufregung über seine „Schmiergemälde“ keineswegs als bestürzend wie im Film, sondern als „äußerst amüsant“ – sie entpuppte sich als gute PR. Die Berliner Episode kann auch in der Auseinandersetzung mit der filmischen Form hinterfragt werden: Wirkt die Versetzung in das „aufregende“ Berlin der Gegenwart für das Verständnis von Munch plausibel oder eher irritierend? Der im Film geäußerte Geniebegriff, meist auf männliche Künstler angewandt, kann ebenfalls diskutiert werden. Überaus gelungen sind die Parallelen zahlreicher Filmmotive mit Munchs Gemälden: In Bildern wie „Tanz des Lebens“ oder „Zwei Menschen. Die Einsamen“ begegnen wir denselben Figuren und Farben, die auch dem Film unzweifelhaft als Inspiration dienten.