Inhalt
Yuri ist 16 Jahre alt, Raumfahrtfan und in der Cité Gagarine zu Hause. In der nach Kosmonaut Juri A. Gagarin benannten Hochhaussiedlung in Ivry-sur-Seine ist er die gute Seele. Er liebt und lebt das solidarische Zusammenleben, kümmert sich um die Nachbarschaft und organisiert Reparaturen im Haus. Als die Stadt plant, die Siedlung abzureißen, formiert sich Widerstand. Yuri ist mit seinen Freund*innen Houssam und Diana vorne mit dabei. Doch trotz aller Bemühungen gelingt es nicht, den Abriss zu verhindern. Schon bald ziehen die ersten Familien weg, immer mehr Wohnungen stehen leer. Nur Yuri kann nicht gehen. Seit seine Mutter bei ihrem neuen Partner lebt, gibt es für ihn keinen anderen Ort. Im Kampf gegen die Einsamkeit träumt sich Yuri zu den Sternen, in einen schwerelosen Raum. Also verwandelt er die leerstehende Cité in ein riesiges Raumschiff – das für ihn um Hilfe ruft, eine Gemeinschaft an sich selbst erinnert und Yuri zu einem Planeten bringt, auf dem es Trost und neue Hoffnung gibt.
Umsetzung
Fanny Liatard und Jérémy Trouilh arbeiteten bereits 2014 an einem dokumentarischen Kurzfilmporträt über die Bewohner*innen der Cité Gagarine. 2019 kehrten sie für ihr Langfilmdebüt zurück. Geschaffen haben sie einen Film über Heimat- und Gemeinschaftsverlust, der sich jeder Genrezuschreibung entzieht: Milieustudie mit Coming-of-Age-Note, Archivaufnahmen aus der Blütezeit der Cité und Science-Fiction-Elemente verschmelzen miteinander. Elektronisch-atmosphärische Musik wird von eingängigen Liedern abgelöst, Sozialrealismus von träumerischer Weltraum-Ästhetik. Erzählt wird aus der Perspektive eines Jugendlichen, der den Ort seiner Kindheit verliert – selbst wenn er ihr viel zu schnell entwachsen musste. Sein Blick – eingefangen durch sein Teleskop – lässt dabei gelebte und geträumte Utopie sichtbar werden: Mal sehnt er sich zum Kosmos, ganz weit weg; mal rückt er Bilder vor das Objektiv, die mit Feingefühl vom Alltag in der Nachbarschaft erzählen. Auf diese Weise setzt der Film ein Denkmal, das nicht nur eine Gemeinschaft verewigt, sondern auch an die Idee sozialen Wohnens appelliert.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Mischung aus erzählter Utopie und Wirklichkeit folgend, bietet der Film mehrdimensionale Gesprächsanlässe zu unterschiedlichen Themen. Anknüpfend an die reale Geschichte der Cité Gagarine – Anfang der 1960er Jahre erbaut, 1963 durch den Namensgeber eingeweiht und ab 2019 über mehrere Monate hinweg abgerissen – können Fragen und Konzepte des sozialen Wohnens in den Blick genommen werden. Anhand der Geschichten von Yuri und Diana, die mit ihrer Roma-Familie am Rande der Cité lebt und deren Zuhause gewalttätig geräumt wird, werden verschiedene Gentrifizierungs- und Verdrängungsmechanismen sichtbar. Welche Rolle spielen Orte und Menschen für unser Heimatgefühl? Was bedeutet Gemeinschaft und Nachbarschat? Referenzen auf Science-Fiction-Filme und die wiederkehrende metaphorische Bedienung von Raumfahrtnarrativen können von den Schüler*innnen herausgearbeitet werden, erlauben dabei visionäre Antworten und stellen Fragen nach Zukunftsräumen.