Inhalt
Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war in den 1960er Jahren ein Vorkämpfer für eine juristische Neuausrichtung der Verfolgung des Personals in NS-Konzentrationslagern: Der Nachweis einer direkten Beteiligung an einer Einzeltat sei seiner Ansicht nach bei einer offensichtlich systematischen Massentötung von Menschen für eine Bestrafung nicht erforderlich. Die deutsche Rechtsprechung und Öffentlichkeit waren lange nicht bereit, dieser Auffassung zu folgen. Viele tausende Täterinnen und Täter konnten somit der Strafverfolgung entgehen oder erhielten milde Urteile. Inzwischen hat sich Bauers Sichtweise jedoch etabliert. Der Film begleitet die überlebenden Judith Meisel und Roza Bloch sowie Angehörige und Anwälte bei dem Versuch, mit Prozessen gegen einige der noch lebenden Täter sowohl der Gerechtigkeit als auch der Abschreckung und Aufklärung mit Blick auf die Zukunft Genüge zu tun.
Umsetzung
Entlang zweier Prozesse aus den Jahren 2018/19 und 2020 bilden Interviews mit beteiligten Personen den Schwerpunkt des Films. So wird einerseits die Entwicklung bzw. Wandlung der rechtlichen Sichtweise seit den 1960er Jahren durchaus anspruchsvoll und komplex, letztendlich aber nachvollziehbar und als Lehrstück deutscher Schuldbewältigung dargestellt; zu Wort kommen u. a. Staatsanwaltschaft, Rechtsanwältinnen und Anwälten sowie Personen der Rechtswissenschaft. Andererseits werden die überlebenden Lagerinsassinnen Judith Meisel und Roza Bloch sowie ihre sie unterstützenden Angehörigen in Deutschland, Israel und den USA mit der Kamera begleitet. Die erschütternden Erinnerungen der beiden Frauen an ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern und ihre vagen Hoffnungen auf die Verurteilung der Täter bilden den emotionalen Kern des Films.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Film wirft grundlegende ethisch-moralische und rechtliche Fragen auf, seine Besonderheit ist die Vermittlung des Wandels von juristischen Wertungen. Kommen die Prozesse nicht viel zu spät, gerade mit Blick auf die wenigen Täterinnen und Täter, die jetzt noch verurteilt werden können – und warum hat es so lange gedauert, bis sie angeklagt werden? Wurden Prozesse früher bewusst verschleppt? Warum greift die Rechtsauffassung, dass eine konkrete Einzelschuld für die Mittäterschaft nicht mehr nachgewiesen werden muss, erst jetzt in den Gerichten und ist diese Position richtig oder falsch? Warum werden alte Menschen überhaupt noch angeklagt und wie konnten die Täter mit ihrer Schuld so lange weiterleben? Welche filmischen Mittel werden eingesetzt, um die komplexen Inhalte nachvollziehbar zu vermitteln? Neben den konventionellen Interviewtechniken können die Wandprojektionen von historischen Aufnahmen besprochen werden, die versinnbildlichen, wie sich die Ereignisse in die Geschichte eines Landes einschreiben.
Der Film eignet sich auch für den Einsatz zur Verfassungsviertelstunde,
siehe Unterrichtsmaterialien, Thema 4
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