Inhalt
Der Film erzählt die Geschichten der Opfer und Überlebenden der rassistischen Brandanschläge von Mölln im November 1992. Der 7-jährige İbrahim Arslan überlebte schwer verletzt und verlor seine Schwester, Cousine und Großmutter. Jahrzehntelang blieb die Perspektive der Betroffenen in der öffentlichen Erinnerung ungehört. 2016 wurden im Stadtarchiv Mölln tausende Briefe entdeckt, die an die Familien gerichtet waren – als Zeichen der Solidarität – aber nie übergeben wurden. Der Film folgt İbrahim Arslan auf seiner Reise durch das unbeachtete Archiv: Er liest die Briefe, konfrontiert das Stadtarchiv mit dem Vorenthalten der Briefe und setzt sich mit seiner eigenen Geschichte auseinander. Es entsteht ein vielschichtiger Blick auf Erinnerung, Verlust, strukturelles Schweigen und die Kraft solidarischer Verbundenheit. Verdrängte Stimmen rücken in den Vordergrund: Die ungehörten Geschichten der Betroffenen bilden das Herz des Films und beleuchten die persönliche wie politische Dimension von Erinnerung, Trauma und Solidarität.
Umsetzung
Die filmische Umsetzung ist geprägt von großer Nähe zu den Protagonist*innen, ohne ihre Perspektive zu vereinnahmen. Die Montage verwebt Archivmaterial, aktuelle Begegnungen und poetische Einstellungen zu einem reflektierten und bewegenden Narrativ. Der Film gewährt Raum für Stille, Schmerz und auch Hoffnung – getragen von einem respektvollen und kollaborativen Verhältnis zwischen Betroffenen und Kamera. Auch die persönlichen Begegnungen mit den Briefautorinnen und Autoren ist etwas Besonderes, mit starker emotionaler Wirkung. Die multiperspektivische Erzählweise (Betroffene, Unterstützende, Institutionen) hinterfragt dominante Praxen von Erinnerungskultur, zeigt strukturellen Rassismus auf und macht deutlich, dass Archive und Institutionen keine neutralen Räume sind: Sie üben Macht und Kontrolle über Narrative aus und können verhindern, dass an die Perspektiven Betroffener erinnert wird.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Film eignet sich für die Auseinandersetzung mit institutioneller vs. aktivistischer Erinnerungskultur, strukturellem Rassismus, Trauma und gesellschaftlicher Solidarität. Historisch-politische Kontexte wie die Anschläge von Mölln lassen sich mit aktuellen Fragen zu Rassismus, rechter Gewalt und gesellschaftlicher Haltung verknüpfen. Rassistische Kontinuitäten (Hoyerswerda, Rostock, NSU, NSU 2.0, Hanau…), die mangelnde Aufarbeitung sowie das damit einhergehende Behörden- und Staatsversagen können kritisch untersucht werden. Der Film regt zur Diskussion über Archive, institutionelle Verantwortung, mediale Repräsentation, Allyship und gesellschaftliche Teilhabe an. Eine Analyse filmischer Mittel wie Interviewführung, Montage, Sounddesign und Bildkomposition bietet eine vertiefte Auseinandersetzung mit dokumentarischer Ästhetik und Fragen nach Perspektiven.
