Inhalt
Familiengeschichten faszinieren, denn sie erzählen eine universelle Erfahrung in individueller Ausprägung. Die Familie Werner wurde vor allem von ihren weiblichen Mitgliedern geprägt, die Männer spielen nur Nebenrollen: Da ist die imposante, stets hervorragend gekleidete Matriarchin Apa, die 1920 das Ausflugscafé am Walchensee eröffnete, nachdem sie einen großen Verlust erlitt. Ihre Tochter Norma scheint das ganze Gegenteil: Bescheiden und fügsam ordnet sie ihr Leben dem Betrieb und der Familie unter. Ihr Künstlergatte wird das irgendwann nicht mehr aushalten. Normas Töchter Anna und Frauke wiederum zieht es in den 1960er Jahren von Bayern hinaus in die Welt: Mit Hackbrett und Volksliedern im Gepäck reisen sie unbefangen durch Mexiko und die USA, später auch durch Indien. Die Reise lässt sie die gesellschaftlich etablierten Gewissheiten in Frage stellen. Auch die Freundschaft mit Rainer Langhans wird die beiden Frauen entscheidend prägen; ein klassisches Familienleben wird keine von ihnen führen. Es ist vor allem die Tragödie um Frauke, welche die Familie bis heute nicht loslässt.
Umsetzung
Regisseurin Janna Ji Wonders greift für WALCHENSEE FOREVER auf einen wahren Schatz zurück: Fotos, Briefe, Audio- und Filmaufnahmen dokumentieren und inszenieren den Familienalltag seit rund 100 Jahren. Zusammen mit für den Film entstandenen Interviews gestaltet die Regisseurin daraus ein buntes Kaleidoskop quer durch das 20. Jahrhundert. So entsteht ein fesselndes Stück Zeitgeschichte aus weiblicher Perspektive. Traditionelle weibliche Rollen werden von den verschiedenen Frauen sowohl eingenommen als auch übertreten und hinterfragt. Die Perspektive des Kommunarden Rainer Langhans bildet dabei einen Kontrapunkt zur Frauen- und Familiengeschichte. In all diesen familiären Verstrickungen ist die Regisseurin keine vermeintlich neutrale Beobachterin, sondern selbst Teil der Geschichte, die sie erzählt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
WALCHENSEE FOREVER zeigt eindrücklich, dass wir alle Kinder unserer jeweiligen Zeit sind. Der Film ist eine Einladung an die Schülerinnen und Schüler über ihre eigene Familiengeschichte nachzudenken und sie zu erforschen: Was wissen die Schülerinnen und Schüler vom Leben ihrer Großeltern und Urgroßeltern und inwiefern sind sie selbst dadurch geprägt? Weiterhin dokumentiert der Film die Veränderung von Frauenrollen und Familienbildern. Daran kann sich eine Diskussion über verschiedene Familienmodelle anschließen: Wie schätzen die Schülerinnen und Schüler die Entscheidungen der Protagonistinnen und Protagonisten ein? Der Umgang mit psychischen Erkrankungen sowie der Suizid eines Familienmitglieds sind weitere Themen, die anhand des Filmes besprochen werden können. Nicht zuletzt zeigt er, dass sowohl Dokumentarfilme wie auch Familiengeschichten immer ein Stück weit auf Inszenierungen beruhen. Eine Aufgabe könnte zum Beispiel sein, die Schülerinnen und Schüler ein Foto ihrer eigenen Familie aufnehmen und analysieren zu lassen.