Inhalt
Auf einem Passagierdampfer nach Buenos Aires macht sich ein seltsamer Gast bemerkbar. Auf Drängen seiner Mitfahrer fordert er den amtierenden Schachweltmeister zu einer Partie – und gewinnt. Wie sich herausstellt, hat der Wiener Notar Dr. Josef Bartok das Schachspiel in der Isolationshaft gelernt. Nach dem „Anschluss“ Österreichs war er in der dortigen Gestapo-Leitstelle im Hotel Métropole inhaftiert, um ihm die Kontodaten seiner vermögenden Kunden abzupressen. Ein Schachbuch, das ihm zufällig in die Hände fiel, war Bartoks einzige Ablenkung in diesen Monaten quälender Langeweile und Einsamkeit. Das Nachspielen berühmter Partien mit heimlich geschnitzten Figuren – und später im Kopf – stärkte seinen Widerstandswillen, trieb ihn aber auch fast in den Wahnsinn. Lautete sein Schicksal doch die ganze Zeit, gegen sich selbst zu spielen. Bartoks eigentümliches Verhalten auf dem Schiff lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob er das Martyrium tatsächlich überstanden hat, oder sich geistig noch immer in seiner Zelle befindet.
Umsetzung
Die von Zweigs Novelle vorgegebene Struktur von Rahmenhandlung und Rückblende wird im Film weitgehend beibehalten. Josef Bartok spielt die Gefahr des Nationalsozialismus zunächst herunter. Nach dem Einmarsch der Nazis versucht er mit seiner Frau Anna zu fliehen, wird jedoch festgenommen und im Gestapo-Hotel Métropole inhaftiert. Nach seiner Erzählung auf dem Schiff, das beide ins Exil bringen soll, war er dort dem Gestapo-Leiter Franz-Josef Böhm ausgeliefert. Diese neue Figur eines zentralen Gegenspielers bedeutet die wichtigste Änderung gegenüber der Vorlage. Der höflich auftretende Böhm verwickelt seinen „Gast“ in ein psychologisches Machtspielchen. Das Schachspiel wird zur heimlichen Metapher dieses Kampfes zweier Gegner, die gezwungen sind, die Winkelzüge des anderen vorauszuahnen. Die Vermischung verschiedener Ebenen wird vor allem visuell vollzogen: Die Grenzen zwischen Schiffskabine und Gefängniszelle scheinen immer mehr zu verschwimmen, auch die Figuren entwickeln ein unheimliches Eigenleben. Das aufwendige Set-Design beider Zeitebenen wurde in Zusammenarbeit mit dem Graphic-Novel-Künstler Arne Jysch entworfen und spielt intelligent mit der entsprechenden Ästhetik von Storyboards.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Bereits vorab können die biografischen Bezüge zu Zweigs eigener Exilgeschichte erarbeitet werden. Im Jahr 1934 floh er vor dem zunehmenden Antisemitismus in seinem Heimatland Österreich zunächst nach England. Von New York aus schiffte er sich mit seiner Frau Lotte schließlich nach Brasilien ein, wo die Arbeit an seinen Hauptwerken „Die Welt von gestern“ und „Schachnovelle“ seine letzten Lebensjahre bestimmte. Am 23. Februar 1942 nahm sich das Paar das Leben. Der Verlust der geliebten Heimat und die Zustände nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sind zentrale Motive beider Bücher. Im Geschichtsunterricht lassen sich auch die Geschehnisse im umgewandelten Gestapo-Hotel Métropole erörtern, von denen Zweig durch Freunde erfuhr. Bis 1945 wurden dort etwa 50.000 Antifaschisten, Kommunisten, Sozialisten und Juden gefangen gehalten, gefoltert oder auch ermordet. In der Analyse von Figuren und Erzählperspektive sollten die Unterschiede zwischen Vorlage und Philipp Stölzs filmischer „Verdichtung“ geklärt werden; in der Besetzung des Schachweltmeisters Mirko Czentovic etwa wartet eine kleine Überraschung. Unter filmästhetischen Gesichtspunkten bietet sich die visuelle Gestaltung von Bartoks Abgleiten in physische Abgründe als Thema an.